Nachdem der Rat der Stadt Fröndenberg/Ruhr in einer gesonderten Abstimmung den Antrag der GRÜNEN alle nennenswerten Investitionen nur mit 50 % der heute absehbaren Kosten in den Haushalt einzustellen nicht zugestimmt hat, hat die Fraktion DIE GRÜNEN den Haushaltsentwurf abgelehnt.
Im Folgenden die Anmerkungen von Martin Schoppman, Vorsitzender der Fraktion „Die Grünen“ im Rat der Stadt Fröndenberg zur Haushaltsberatung am 14.12.2022 im Wortlaut:
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Müller, sehr geehrte Damen und Herren,
auch ich möchte als Vertreter der GRÜNEN Fraktion noch Stellung zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 beziehen.
Für jeden wahrnehmbar, treten die Folgen von Klimakrise, massiver Verteuerung der Energien, brechender Lieferketten und am Ende steigender Zins- und Inflationslasten immer deutlicher zu Tage und beeinflussen unser aller Leben. Dem einzelnen Bürger, aber auch der Gesellschaft als Ganzes, drohen das verordnete Ende von Gewohnheiten und letztlich auch ein nachhaltiger Wohlstandsverlust!
Es gibt sicher Einkommensgruppen, denen massiv steigende Preise für Energien und Lebensmittel nicht viel ausmachen, aber für mindestens zwei Drittel der Bevölkerung werden die Zeiten rauer und das Geld knapper.
Daneben darf man aber auch die sonstigen gesellschaftlichen Entwicklungen mit finanziellen Auswirkungen nicht aus den Augen verlieren. So ist es mittlerweile in Deutschland Konsens, dass die Kinderbetreuung ausgebaut und qualitativ verbessert werden sollte. Gleiches gilt für die Betreuung von Behinderten und Senioren, sowie für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Die genannten gesetzgeberischen Bereiche werden allein von Bund und Ländern abgedeckt, kommunaler Handlungsspielraum ist kaum vorhanden. Gleiches gilt übrigens auch für die Gesetzgebung im Hinblick auf die Unterstützung des einkommensschwächsten Teils der Gesellschaft.
Im Ergebnis führen diese Qualitätsverbesserungen in den Kommunen zu unmittelbar steigenden Kosten, bei nur begrenzter Kompensation durch die gesetzgebenden Instanzen. Man muss somit kein Prophet sein um zu erkennen, dass in der nahen Zukunft auch auf unsere Stadt erheblich steigende Sozialkosten zukommen werden! Unsere damit direkt verbundenen Kreisumlagen wachsen auf immer neue Rekordwerte, ohne dass der Kreis selbst oder wir darauf einen nennenswerten Einfluss hätten. Wer angesichts von Schattenetats im Bundeshaushalt in Höhe von beinahe einer halben Billion Euro ernsthaft auf zusätzliches Geld für Länder und Kommunen hofft, der wird aber enttäuscht werden! Wenn es überhaupt Hilfen für Kommunen geben sollte, dann werden diese zudem ganz sicher nicht an solide finanzierte Kleinstädte wie Fröndenberg, sondern an strukturschwache und überschuldete Ballungsraumkommunen wie Gelsenkirchen oder Herne gehen.
Wir hier in Fröndenberg werden uns daher schon selber helfen müssen!
Dabei hatte alles vor kurzer Zeit noch so gut ausgesehen! Wir hatten noch im Jahr 2019 bei negativen Zinsen massive Investitionen, insbesondere in den Bereichen Schul- und Feuerwehrinfrastruktur, eingeplant. Aber erst kam Corona, dann der Angriff Russlands auf die Ukraine, es folgte der Bruch der Lieferketten, der versiegende Erdgasstrom und nun steigen Preise, Kosten und Zinsen in einem unheiligen Dreiklang!
Auch aus meiner heutigen Sicht war unser Vorgehen damals nachvollziehbar und richtig, denn wenn man Sanierungsrückst.nde in den Schulen wahrnimmt und wenn Funktionseinschränkungen und bedenkliche Arbeitsbedingungen den Einsatz der ehrenamtlichen Feuerwehrkräfte erschweren und gefährden, dann muss eine Stadt natürlich aktiv werden!
Die erarbeiteten Pläne gingen mehr oder weniger fix in die Umsetzung, aber gleichzeitig kam die oben beschriebene Preissteigerungsspirale in Gang und nebenbei stiegen auch noch die Zinsen für Kommunalkredite von seinerzeit Null auf heute drei Prozent und mehr.
Auf Grund dieser Entwicklungen teilte die Verwaltung der Politik vor einigen Monaten mit, dass die Kostenentwicklung unserer Investitionen Anlass zur Sorge gäbe. Während man bei der Verabschiedung der Pläne noch von Kosten in Höhe von ca. 50 Mio. € ausgegangen sei, müsse man nun mit Ausgaben von mehr als 90 Mio. € rechnen. Daraus resultierend wüchse in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts der kommunale Schuldenstand auf mehr als 45 Mio. € an, was bei den aktuellen Zinsen zu massiv steigenden Zinsbelastungen führen werde. Sollten die Investitionspläne wie geplant umgesetzt werden, rutsche Fröndenberg in der zweiten Hälfte dieser Dekade für einen längeren Zeitraum in die Haushaltssicherung mit allen negativen Folgen für Stadt und Bürger.
Wohlgemerkt: Dies allein als Ergebnis der Umsetzung unserer Investitionspläne, zukünftig steigende Soziallasten sind hier noch nicht berücksichtigt.
Eine von der Verwaltung erstellte Investitionsliste wurde mit der Politik besprochen und dabei unverzüglich eine ganze Reihe von Maßnahmen als nicht diskutabel identifiziert. Diese Projekte sollen in jedem Fall realisiert werden, da sie entweder finanziell unbedeutend, mit einer hohen Förderquote belegt, oder mit dem Risiko von erheblichen Subventionsrückzahlungen verbunden sind.
Nennenswertes Einsparpotential wurde bisher weder in der Investitionsrunde, noch in den Besprechungskreisen zu diesem Haushalt identifiziert, jedoch hält die städtische Finanzabteilung allenfalls die Hälfte des absehbaren Defizits von 45 Mio. € ohne gravierende Steuererhöhungen für unsere Bürger für finanzierbar. Das notwendige Einsparvolumen bei der Investitionssumme beläuft sich somit auf sicher 30 Mio. €.
Unser Kämmerer hatte die Schwierigkeiten der Erarbeitung kurzfristiger Sparmaßnahmen wohl schon geahnt, er scheint es aber nicht als seine Aufgabe anzusehen, zwangsweise auf die kommunale Investitionsbremse zu treten. Daher finden sich im Haushaltsentwurf nun alle für 2023 vorgesehenen Investitionsmaßnahmen, ungekürzt und voller Höhe.
Der bunte Strauß der vorgesehenen Investitionen reicht von A wie „Asylunterkunft“ bis Z wie „Zwischentrakt Rathaus“. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass die unveränderte Umsetzung aller Investitionspläne des Jahres 2023 den Spardruck auf alle Maßnahmen der folgenden Jahre massiv erhöhen und unseren eigenen Spielraum, freie Entscheidungen zu treffen, immer weiter einschränken wird.
Um es klar zu sagen, natürlich haben wir GRÜNEN auch keine leichte Lösung für das aufgetauchte schwere Problem, aber sicher ist, dass es ohne massive Einschnitte nicht gehen wird! Wer aber im normalen Leben annimmt, das sich seine ernsthaften finanziellen Probleme von heute, morgen schon irgendwie von selbst lösen werden, derkann für übermorgen schon mal einen Termin bei der Schuldnerberatung buchen!
Am Ende gibt es hier und heute drei Handlungsalternativen:
- Man führt zunächst einmal alle Investitionen wie geplant durch, hofft auf Preissenkungen bei Baumaßnahmen, auf heute noch undefinierbare Einsparungen oder auf einen Geldregen von oben – genau dafür wirbt die Verwaltung heute um Zustimmung
- Man führt zunächst mal alle Investitionen wie geplant durch, steuert aber durch eine jeweils angepasste Erhöhung der Grundsteuer B den Folgen der Kreditaufnahme entgegen und erklärt den Bürgern dieser Stadt, warum diese Erhöhungen notwendig sind und was sie für ihre zusätzlichen Steuern erhalten
- Man hält zunächst einmal inne und investiert erst, wenn Verwaltung und Politik die erforderlichen Einsparpotentiale realistisch identifiziert haben, wobei aber auch dieser Investitionsstopp Betroffenen und Bürgern erklären werden müsste
Meine Fraktion hat in den interfraktionellen Haushaltsberatungen für die dritte Lösung, nämlich ein Investitionsmoratorium bis zur Erarbeitung echter Einsparpotentiale geworben, aber nur wenig Zustimmung erhalten. Meine Fraktion hat vergebens auch die Unterstützung der zweiten Alternative angeboten, nämlich eine Investitionsoffensive bei gleichzeitiger Bürgerinformation über die Notwendigkeit einer jährlich angepassten maßvollen Grundsteuererhöhung.
Aus unserer Sicht mag jedoch eine hoffnungsvolle und zügige „Augen-zu-unddurch- Haltung“ bei Schicksalsschlägen oder bei der Behebung von Schäden durch Naturkatastrophen angemessen sein. Wenn man aber der Politik, z.B. bei der Verabschiedung des Feuerwehrbedarfsplans 2019, die Kosten für drei zentrale Feuerwehrgerätehäuser mit unter 16 Mio. € beziffert und sich diese Kosten innerhalb von drei Jahren nun auf gut 30 Mio. € verdoppeln, dann kann eine Umsetzung nach den vorliegenden Plänen, insbesondere bei gleichzeitig explodierenden Kreditkosten, nicht die Lösung für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Politik für die Bürger unserer Stadt sein.
Meine Fraktion hat daher den Antrag gestellt, alle in Rede stehenden nennenswerten Investitionen nur mit 50 Prozent der heute absehbaren Kosten in den Haushalt einzustellen, um erst nach einer fundierten und sicher langwierigen Spardiskussion, die dann eingekürzte Investitionsliste abzuarbeiten.
Da über diesen unseren Vorschlag mit den anderen Fraktionen kein Konsens zu erzielen war, wird heute über diesen Antrag gesondert abgestimmt werden.
Gibt es für diesen Vorschlag, der im Grunde bedeutet, nur das zu tun, was für diese Stadt auch finanziell leistbar ist, heute keine Mehrheit, dann wird meine Fraktion den Haushaltsentwurf ablehnen, denn für die Freigabe der im Haushalt vorhandenen ungekürzten Investitionsansätze können wir angesichts der Gesamtumstände die Verantwortung nicht übernehmen.
Diese ganze elende Finanzdiskussion ist um so ärgerlicher, da dieses Finanzthema eigentlich nicht den politischen Schwerpunkt der GRÜNEN Interessen in unserer Stadt ausmacht. Dies ist nämlich der dringend erforderliche Klimaschutz, mit dem sich unserer Stadt seit Jahren unglaublich schwer tut. Es werden laufend Anträge gestellt sowie Pläne und Konzepte erarbeitet und verabschiedet, aber abgesehen von ein paar zehntausend Euro Zuschuss für kleine Solarpaneele an Balkonen und der vom Bund geförderten Installation von ein paar Ladesäulen, ist unsere Verwaltung seit Jahren erschreckend inaktiv und das fällt uns zudem bei explodierenden Energiekosten nun auch noch zusätzlich auf die Füße.
Wir GRÜNEN haben mal vor einigen Jahren die Ausstattung der kommunalen Dachflächen mit Solarmodulen beantragt – passiert ist da bisher wenig bis nichts und die Verwaltung untersucht nun im kommenden Jahr die Statik ihre Dachflächen. Offenbar wurde da aber nach der Erstellung des Haushaltsentwurfs noch ein Fördertopf entdeckt, so dass über die Ergänzungsliste der Verwaltung nun doch noch 400.000 € für die Anschaffung und Montage von Solarmodulen bereitstehen sollen.
Wir GRÜNEN haben mal vor Jahren die Aufstellung und Umsetzung eines gemeinsamen Energiekonzepts für unser Schulzentrum beantragt, dieses Konzept wurde auch erarbeitet und vorgestellt, umgesetzt wurde aber auch hier bislang nichts. Damit es dort weitergehen kann, haben wir GRÜNEN die Aufnahme von Mitteln in den Haushalt beantragt und ein Konsens darüber hat sich in den Vorgesprächen abgezeichnet.
Wir GRÜNEN haben mal vor Jahren die Installation von Abstellbügeln für Fahrräder beantragt und im Radverkehrs-Arbeitskreis wurde von der Verwaltung auch eine Liste mit öffentlichen Gebäuden erstellt, an denen solche sicheren Abstellmöglichkeiten für Räder fehlen. Nun beantragen wir also erneut Mittel für die Aufstellung der Bügel und auch das schien im Vorfeld konsensfähig.
Insgesamt, und das sage ich hier abschließend nochmals ganz eindeutig, passiert in Fröndenberg in Sachen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz viel zu wenig, um den globalen Erfordernissen oder auch nur den selbst gesetzten Zielen Genüge zu tun. Während wir uns hier in Fröndenberg an die Klimaneutralität im Jahr 2045 heranschleichen, strebt unsere Nachbarstadt Soest die Erreichung dieses Ziels bereits im Jahr 2030 an. Wir erkennen die Arbeit unserer städtischen Klimaschutzbeauftragten ausdrücklich an, aber wenn sie künftig nicht mehr Unterstützung auch zur konkreten Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen erhält, dann bleibt es in Fröndenberg bei den seit Jahren zu beobachtenden Trippelschritten beim Klimaschutz.
Nach unserem Verständnis muss eine Stadt ihren Bürgern beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen – das ist in Fröndenberg nun seit Jahren selbst beim besten Willen nicht zu erkennen.
So, abschließend bleibt mir nur Dank an die Verwaltung und insbesondere an das Finanzteam für die geduldige und kurzfristige Beantwortung unserer Fragen zum Haushalt.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit und bleiben Sie gesund!
Martin Schoppmann
(Vorsitzender der Fraktion Die GRÜNEN im Rat der Stadt Fröndenberg/Ruhr)