Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte als Vertreter der GRÜNEN Fraktion auch noch ein paar Worte zum Haushalt 2019 verlieren. Lange Jahre der Haushaltssicherung liegen hinter uns, eine bleierne Zeit für Verwaltung, Politik und Bürger. Daraus befreit wurden wir nicht etwa durch eine Rettungsaktion von Bund oder Land, sondern durch Ausgabenverknappung, kombiniert mit einer nennenswerten Einnahmesteigerung, diese erreicht durch die erhebliche Erhöhung der Grundsteuerhebesätze für alle Fröndenberger Bürger. Die Jahre sind jedoch nicht spurlos an unserer Stadt vorbeigegangen.

Manchmal fühlt man sich an die aktuellen Zustände in Griechenland erinnert – die katastrophale Schuldenkrise ist abgewendet, aber die Infrastruktur liegt am Boden. Außerdem haben die existentiellen Sorgen zu einer beträchtlichen Verschärfung der politischen Auseinandersetzung geführt, da es eine Vielzahl von Konfliktfeldern gibt, die fast alle irgendwie mit der Verteilung der zu knappen Ressourcen zu tun haben.

Kürzlich wurde unserer Stadt durch die Gemeindeprüfungsanstalt bescheinigt, wirtschaftlich auf einem guten Konsolidierungskurs zu sein und wir wurden ausdrücklich ermutigt, mit den Sanierungsschritten fortzufahren. Gleichzeitig schrieb man uns aber auch ins Stammbuch, dass wir einen überdurchschnittlichen Altbestand an städtischen Straßen haben der, allein zum Substanzerhalt, Aufwendungen in Höhe einer vollen Million Euro erforderlich macht – und das jährlich und regelmäßig ohne Unterbrechung, meine Damen und Herren!

Bevor dieses Jahr die Haushaltsberatungen begannen, hatte die Verwaltung bereits 600.000 Euro an Straßenunterhaltungsaufwendungen eingeplant, eine nennenswerte Steigerung verglichen mit den Beträgen, die zu Zeiten der Haushaltssicherung von uns dafür aufgebracht werden konnten. Trotzdem aber deutlich zu wenig, um den Vorgaben der Gemeindeprüfungsanstalt gerecht zu werden! Haushaltsexperten sprechen in solchen Fällen, in denen weniger in den Erhalt eines Anlageguts gesteckt wird als Alterung stattfindet, von „Substanzverzehr“, weniger fachchinesisch kann man so etwas auch als „auf Verschleiß fahren“ bezeichnen.

Die Haushaltsberatungen der Fraktionen haben ergeben, dass wir die bisher nicht berücksichtigte Wickeder Straße, auf der jede Fahrt einem Rodeo-Ritt gleicht, 2019 mit einer neuen Deckschicht versehen und dabei aber auch Untersuchungen für eine Grundsanierung vornehmen wollen. Dadurch erhöht sich der Ansatz für die Straßenunterhaltung auf 710.000 Euro, von denen aber nur 670.000 Euro tatsächlich in die Straßenqualität fließen und wir für 40.000 Euro schlicht strukturelle Grundlagen ermitteln lassen. Also selbst im kommenden Jahr, in dem wir nun sicher den höchsten Betrag der letzten Jahrzehnte zur Straßenunterhaltung aufwenden, gelingt es uns nicht, mehr als zwei Drittel des eigentlich Notwendigen zu tun. Man könnte auch sagen, fielen morgen 350.000 Euro vom Himmel in Fröndenberg, müsste dieser Betrag sofort und vollständig in die Straßenunterhaltung einfließen, damit der Substanzverzehr 2019 und damit vermutlich das erste Mal in diesem Jahrtausend, wenigstens für dieses eine Jahr zum Stillstand käme! Der Straßenzustand in Fröndenberg ist fast überall schlecht und darf nicht noch schlechter werden, diese Aussage würden sicher fast alle unsere Bürger unterschreiben! Um es aber ganz offen zu sagen: Mir fehlt die Phantasie um mir vorzustellen, wie wir die erforderlichen Mittel zum Erhalt dieser städtischen Vermögenswerte heute und in Zukunft aufbringen sollen, da ist definitiv keine Lösung in Sicht!

An anderer Stelle hingegen geht es in Fröndenberg besser voran, denn die Kommunalpolitik ist sich einig darin – nach langer Hängepartie um Straße und Tunnel – unsere Innenstadt zu erneuern und dort insbesondere die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Einhellig sind wir außerdem der Meinung, dass in unsere Schulen und in unsere Feuerwehr in den nächsten Jahren zig-Millionen Euro investiert werden müssen. Diese Einigkeit ist schon deshalb wertvoll, da massive Investitionen zwar erkennbar positive Effekte für die Stadt und ihre Bürger haben, die durch sie verursachten erheblichen Folgekosten jedoch uns alle noch lange beschäftigen werden. Herr Freck hat uns in der Haushaltsklausur dargelegt, dass allein die bis Mitte des nächsten Jahrzehnts erfolgte Zentralisierung und Erneuerung unserer Feuerwehrstandorte unter Annahme maßvoller Zinssätze und Investitionskosten, für die nächsten 60 Jahre Kosten in Höhe von jährlich gut 350.000 Euro auslösen werden. 60 Jahre, meine Damen und Herren, da bekommt man ein Gefühl für die Tragweite kommunaler Entscheidungen für die nachfolgenden Generationen.

Wenn wir all das, was sich derzeit in unserer Stadt in der politischen Diskussion befindet umgesetzt haben, wird sich unser Jahresergebnis andauernd und nachhaltig um mindestens eine halbe Million Euro verschlechtern. Und wissen Sie was das Schlimmste ist? Es gibt trotz all unserer Anstrengungen große und bedeutende Politikfelder, da können wir noch nicht einmal ernsthaft an Fortschritte denken!

Nehmen wir nur einmal die Verkehrswende: Der motorisiere Individualverkehr muss dringend verringert werden, der ÖPNV und der Radverkehr müssen gestärkt werden, so sagen es alle Fachleute und das fordert auch der Klimawandel. Kommt von diesem Gedanken auch nur irgendetwas in Fröndenberg an? Haben wir in den vergangenen Jahren auch nur einen Meter Radweg entlang einer stark befahrenen Straße gebaut? Auf dem Ruhrtalradweg kann man seit Jahrzehnten entlang der Wickeder Straße und von der Ruhrbrücke in Richtung Schwerte radeln, aber das war es dann auch! Wer jemals von einem Bus oder LKW gehetzt mit seinem Rad von Ardey auf der L 673 nach Fröndenberg oder von der Hohenheide die Ostbürener Straße Richtung Innenstadt gefahren ist, der kann sich den Eintritt in die Geisterbahn sparen und fühlt sich, als habe er dem Tod ins Auge geschaut! Die nun geplante Anlage eines Radwegs von der Gesamtschule Richtung Norden kann auf Grund der Topografie sicher auch nicht als Befreiungsschlag für den Radverkehr in unserer Stadt gesehen werden, außerdem fehlt dann eine Weiterführung nach Unna. Dass Politik und Verwaltung auch keine kreativen und finanzierbaren Ideen für die stärkere Nutzung des ÖPNV in Fröndenberg haben, gehört zur Wahrheit dazu!

Die gescheiterte Verkehrswende und der in Fröndenberg auf Grund der komplizierten Vergaberichtlinien schier endlose Zeitraum für die Stärkung unserer digitalen Netze macht deutlich, dass das Schlagwort vom „Abgehängtsein des ländlichen Raumes“ kein böser Spruch von großstadtaffinen Wissenschaftlern und Soziologen ist. Es bleibt festzuhalten, wir mühen uns nach Kräften, aber die derzeit überall als wichtige Zukunftstrends genannten Entwicklungen können wir in unserer Stadt nicht nennenswert unterstützen! Auch hier sind kurz- oder mittelfristige Handlungsmöglichkeiten in Fröndenberg allenfalls schemenhaft erkennbar.

Nachdem ich nun eher pessimistisch ausgeführt habe, was derzeit offenbar alles nicht geht, möchte ich ein wenig auf die in der Änderungsliste 2 enthaltenen Fraktions- und Bürgerantr.ge eingehen:

Seit einer halben Ewigkeit arbeitet die Stadt an der Umsetzung des Gewerbegebiets Schürenfeld, so nennenswert voran ist man bisher nicht gekommen. Geld fließt ab, Grundstücke und Tauschflächen mit langfristigen Pachtverträgen wurden erworben – ein glückliches Ende sehen nur Optimisten! Nun aber kommt Bewegung in die Sache und zwar durch die Stadt selbst, die das Schürenfeld als Option für einen neuen Feuerwehrstandort West ins Auge gefasst hat. Die Umsetzung dieser Idee halten wir für sinnvoll, die zusätzliche Ausweisung eines ganzen Gewerbegebiets jedoch nach wie vor für unnötig und schädlich. Kurz und gut, meine Fraktion fordert, wie schon in den letzten Jahren, auch für 2019 die Ansätze finanzieller Mittel für die Umsetzung des Schürenfelds aus dem Haushalt zu streichen!

Wir GRÜNEN sind mit SPD und CDU der Meinung, dass nach der Aufgabe der Buchhandlung Kern Ende 2019 auch eine Neukonzeptionierung der Stadtbibliothek sinnvoll und notwendig ist. Um einen reibungslosen Übergang zu einer echten Verbesserung zu gewährleisten, beantragt meine Fraktion dafür bereits 2019 insgesamt 75.000 Euro zusätzlich in den Haushalt einzustellen.

Die von der SPD beantragten 100.000 Euro für die Errichtung von lediglich fünf Stellplätzen für Wohnmobile sieht meine Fraktion kritisch. Die Verwaltung war bei ihren Planungen von 180.000 Euro ausgegangen, was der Fachausschuss jedoch als zu kostspielig abgelehnt hat. Nun soll es also abgespeckt für 100.000 Euro gehen, was wir immer noch für einen Betrag halten, der bei nur fünf Stellplätzen eine große Diskrepanz zwischen Aufwand und echtem Ertrag für unsere Stadt vermuten lässt. Dazu kämen dann auch noch laufende Kosten, die das Kosten-Nutzenverhältnis weiter verschlechtern – wir lehnen den Antrag daher ab!

Ein erhöhter Ansatz für die Entwicklung des Sportparks erscheint uns nicht erforderlich, denn wie man an dem heute nachgereichten Tagesordnungspunkt ersehen kann, sind erst Planungen abzuschließen und Förderkulissen und Grundsatzfragen zu klären, bevor die Bagger rollen werden. Nur eins ist klar, mit dem simplen Umbau eines Aschenplatzes in einen Kunstrasenplatz sind sicher keine Fördermittel zu erringen, da sind Investitionen ganz anderer Qualität und Dimensionen erforderlich!

Den Antrag der CDU auf Intensivierung der Grünfl.chenpflege unterstützen wir und hoffen auf eine kurzfristigere Umsetzung als bei unserem letztjährigen Antrag auf die Anlage von Blühwiesen, die uns vom Fachbereich nun für den Anfang des Jahres 2020 versprochen wurden!

Die Mittel für die Untersuchung des Feuerwehrstandorts Mitte mit einer möglichen Verlagerung des Rathauses auf den Karl-Wildschütz-Parkplatz sind unseres Erachtens gut angelegt. Unsere Zustimmung zu der angedachten großen Lösung machen wir von dem Ergebnis dieser Studie und den Konsequenzen für Feuerwehr und Innenstadt abhängig. Angesichts der umfassenden Pläne scheint meiner Fraktion eine umfangreiche Voruntersuchung jedoch in jedem Fall unabdingbar! Wir stimmen dem Mietkostenzuschuss im vorgeschlagenen Umfang von 10.800 Euro zu, weil wir dies als einen Versuch betrachten, gegen die Leerstände in der Innenstadt anzugehen. Das wird nicht alle Probleme in der Innenstadt lösen und Mitnahmeeffekte sind natürlich nicht auszuschließen, aber das ist in der Bundespolitik, z.B. bei der Einführung des Baukindergeldes auch nicht anders, ohne dass man deshalb ganz darauf verzichtet!

Zuletzt noch der Antrag der CDU, den Grundsteuerhebesatz um 20 Punkte zu senken. Dazu hat es im Hellweger Anzeiger nach der lebendigen Debatte im Finanzausschuss vor einer Woche einen lesenswerten Kommentar gegeben, dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist! Eines will ich aber noch einmal grundsätzlich klarstellen: Ausgerechnet den Steuerzahlerbund als Kronzeugen für eine Steuersatzsenkung heranzuziehen hat aber schon etwas Groteskes. Anders als es der geschickt gewählte Name vermuten lässt, vertritt dieser stark schrumpfende Verein mitnichten die Interessen aller Steuerzahler! Vielmehr steht er ideologisch der FDP nahe und nach seiner Selbstauskunft setzt sich der überwiegende Teil seiner Mitglieder aus Unternehmen des Mittelstands und Freiberuflern zusammen, es ist also schlicht eine Lobbyorganisation der Besserverdienenden in unserem Lande. Für diesen Verein ist jede Steuerzahlung per se von Übel und daher pauschal abzulehnen! Wenn aber Begrifflichkeiten wie „Gemeinwohl“ und „öffentliche Ausgaben“ von vornherein verteufelt werden, kann man diese Truppe der Steuervermeider tatsächlich seriös nicht als Berater für die Betrachtung eines kommunalen Haushalts heranziehen. Der Haushalt unserer Stadt Fröndenberg ist auf Kante genäht. Wie zuvor ausgeführt, harren diverse kostspielige Planungen der Umsetzung und zusätzliche Mittel im Haushalt würden uns helfen, wenigstens städtische Vermögenswerte zu erhalten; da kann man den gegenläufigen Antrag auf einen freiwilligen Verzicht auf kommunale Steuermittel tatsächlich im Sinne des Gemeinwohls nicht unterstützen. Wohin es führt, wenn der neoliberale Zeitgeist regiert und die auf staatliche Hilfe angewiesenen Bevölkerungsteile unsensibel im Regen stehen gelassen werden, kann man sich derzeit in unserem Nachbarland Frankreich bei den Protesten der Gelben-Westen-Bewegung in bewegten Bildern anschauen. Und damit solche Zustände nicht auch in Deutschland Platz greifen, müssen Bund, Länder und Kommunen mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Ob das nun den Lobbyisten des Steuerzahlerbunds und seinen Anhängern gefällt oder nicht: Der soziale Friede und eine leistungsfähige kommunale Infrastruktur sind für einen Staat wichtiger als ein paar zusätzliche Euro im Säckel der steuerzahlenden Bürger!

Abschließend noch ein mehr grundsätzlicher Blick in den Haushalt. Die meisten von uns werden sich noch an die Augsburger Puppenkiste erinnern, eine Institution der pädagogischen Unterhaltung in der guten alten Fernsehzeit. Einer dieser Straßenfeger im Kinderzimmer war die Geschichte von „Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer“, in der ein bemitleidenswerter „Herr Tur Tur“ auftauchte, der als „Scheinriese“ bezeichnet wurde. Der einsame Mann litt darunter, dass seine Gestalt aus der Entfernung riesig erschien, diese beim Näherkommen jedoch immer mehr auf das normale Maß zusammenschrumpfte. Diese Eigenschaft des Scheinriesen erinnert frappierend an die tatsächliche Entwicklung der prognostizierten Jahresergebnisse unserer Kämmerei: Je weiter die betrachteten Jahre in der Zukunft liegen, umso größer ist der ausgewiesene Überschuss im Haushalt! Je näher aber das betrachtete Jahr heranrückt und je eher die Prognose den Praxistest bestehen müsste, um so weniger bleibt am Ende übrig, bis letztlich, wie auch in dem nun in Rede stehenden Jahr 2019, nur noch eine kümmerliche graue Null stehen bleibt. In den vergangenen Jahren der Haushaltssicherung hat meine Fraktion tatsächlich die Hoffnung gehabt, dass demnächst Zeiten anbrechen könnten, die finanzielle Spielräume, z.B. auch zur Entlastung unserer Bürger, aufweisen würden – von diesem Glauben haben wir zunächst einmal Abstand genommen! Die Gründe für dieses nun schon seit Jahren zu beobachtende Phänomen liegen vermutlich in dem stillschweigenden Aufholen von lange aufgeschobenen Ausgaben, zu optimistischen Vorgaben ambitionierter Bundes- und Landesregierungen, Aktionseifer und Konfliktvermeidung der Kommunalpolitiker und unvorhersehbaren finanziellen Entwicklungen. Seitdem wir diesen Automatismus der scheinriesigen Jahresergebnisse nun durchschaut haben, wird sich meine Fraktion künftig bei Prognosen und Versprechen zurückhalten, insbesondere wenn solche Prognosen die Zukunft betreffen!

Am Ende geht unser Dank, wie in jedem Jahr, an die Verwaltung und hier insbesondere an Herrn Freck und sein Finanzteam, die die Geduld aufgebracht haben, bereits vielfach Erklärtes erneut zu begründen und ihre Fleißarbeit uns Kommunalpolitikern somit verständlich zu erläutern.

Ach ja, und fast hätte ich es vergessen, sollte noch jemanden das Schicksal des armen Herrn Tur Tur aus dem Puppenspiel interessieren: Er fand sein Glück und seine Bestimmung letztlich als lebender Leuchtturm in Lummerland! Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!

Martin Schoppmann
(Vorsitzender der Fraktion Die GRÜNEN im Rat der Stadt Fröndenberg/Ruhr)