Zur Stellungnahme der Fraktion der Grünen im Rat der Stadt Fröndenberg vom 09.09.2024
Ziel der Neuaufstellung des NVP ist eine nachhaltige Verkehrsentwicklung, die den aktuellen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und den künftigen Herausforderungen gerecht wird. Der Kreis Unna hat als Aufgabenträger für den kommunalen ÖPNV die Möglichkeit, Art und Umfang der Verkehrsleistungen im kommunalen ÖPNV über eine ausreichende Bedienung festzulegen. Dies unabhängig davon, ob die Verkehrsleistungen eigen- oder gemeinwirtschaftlich erbracht werden.
„Auf der Landesebene von Nordrhein-Westfalen ist der ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge definiert (§ 1). Mit dem Landesgesetz wird vorgegeben, dass Aufgabenträger Nahverkehrspläne aufzustellen und bei Bedarf fortzuschreiben haben. Ziel muss es für die ÖPNV-Aufgabenträger sein, die ÖPNV-Angebote zu sichern und zu verbessern (§ 8). Dazu agiert der ÖPNV-Aufgabenträger im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit (§ 3).“ (NVP-Entwurf, Seite 10)
Die Stadt Fröndenberg ist gefordert, eine umfassende und zukunftsorientierte Stellungnahme zum NVP für den Kreis Unna zu formulieren, um den o.g. Zielen gerecht zu werden.
Die nachstehenden Aspekte und Antworten auf Fragen sind für die GRÜNE Fraktion von entscheidender Bedeutung:
1. Taktung und Erreichbarkeit: Eine verbesserte Taktung der Busse und Bahnen sowie die Anbindung an wichtige Knotenpunkte/ Adressaten wie Schulen, Seniorenheime, Einkaufszentren, Arbeitsstätten und Asylbewerberunterkünfte, Ärzte und Krankenhäuser sind ausschlaggebend für die Akzeptanz und Attraktivität des ÖPNV. Die X-Linie zusammen mit der Bahnstrecke RB 54 soll einen Halbstundentakt zwischen dem Bahnhof von Fröndenberg über Frömern zum Unnaer Bahnhof sichern. Betrachtet man jedoch die Y-Linien im Osten von Fröndenberg, so sind nach dem aktuellen Entwurf die Reisenden zunächst bis zu 25 Minuten unterwegs, nur um am Fröndenberger Bahnhof das nächste Verkehrsmittel zu erreichen. Dazu kommen noch die Umsteigezeiten und das Risiko den Anschluss zu verpassen.
2. Wünschenswert ist eine möglichst reibungslose Integration von Bus, Bahn, Fahrrad und gegebenenfalls Carsharing-Angeboten, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Aktuell gibt es in Fröndenberg weder Mobilstationen, noch Car-Sharing-Angebote, noch nennenswerte Fahrradwege für den Alltagsradverkehr, um die Knotenpunkte der X-Linie zu erreichen. Ausbau und Förderung der Fahrradinfrastruktur müssen schon jetzt mitgeplant werden. Neben den im Konzept angekündigten Elektrobussen hätten diese alternativen Verkehrsträger auch einen positiven Einfluss auf den ökologischen Fußabdruck des NVP.
Der Entwurf des neuen NVP sagt jedoch wenig über die Einbindung des Fuß- und Radverkehrs aus und verschiebt Verbesserungen überwiegend in die Zuständigkeit der Kommunen. Für eine echte Mobilitätswende braucht es jedoch einen möglichst guten Mix aller Mobilitätsarten.
3. Der NVP muss die Bedürfnisse aller Nutzergruppen, einschließlich älterer Menschen und Menschen mit Behinderungen, angemessen berücksichtigen, wozu die Verbesserung der Barrierefreiheit an Haltestellen und in Fahrzeugen unabdingbar ist. Obwohl es im Entwurf nicht gesondert erwähnt wird, sind saubere, helle und einladende Haltestellen selbstverständlich und wichtig, um die Akzeptanz des ÖPNV und das Wohlbefinden der Fahrgäste fördert. Wünschenswert wäre auch die Ausstattung der Haltepunkte mit Echtzeitinformationen, um die Wartezeit abschätzen zu können!
4. Zu bemängeln ist ausdrücklich die bisher nicht durchgeführte Öffentlichkeits- bzw. Bürgerbeteiligung. Eine aktive Einbindung der Bürger schon in der Planungsphase des NVP trägt zur Akzeptanz „ihrer“ Mobilitätsangebote bei. Informationsveranstaltungen oder Möglichkeiten zur Online-Beteiligung wären wünschenswert, sind aber offenbar nicht vorgesehen. Die Umfrage der VKU aus dem Jahr 2023 ist für Fröndenberg nur bedingt aussagekräftig, da zum damaligen Zeitpunkt die VKU das Stadtgebiet von Fröndenberg überhaupt nicht bediente.
5. Insgesamt lassen sich die auf Seite 72 des NVP dargestellten Angaben über die Erschließungswirkung von 78 % im Bestandsnetz auf 91 % im Zielnetz nicht nachvollziehen. Zudem wurde der zweite Prozentanteil im Rahmen der Präsentation des NVP am 21.08.2024 auf 85 % nach unten korrigiert, was zusätzlicher Erläuterungen bedarf. Wichtig wäre auch die Beantwortung der Frage, ob neue Haltestellen eingerichtet werden sollen, bzw. ob vorhandene Haltestellen entfallen sollen.
6. Heruntergebrochen auf die Kommune fehlt eine transparente Darstellung der Kosten und der Finanzierung des NVP sowie die Erläuterung zu bestehenden Fördermöglichkeiten. Weder wird klar, was kommunal finanzierte Zusatzangebote kosten würden, noch ist ersichtlich, was der bisher von der Kommune gesondert abgerechnete Schülerverkehr künftig kosten soll.
7. Keine Aussagen trifft der Entwurf auch zu den geplanten Ticketpreisen. Da Fröndenberg nicht Teil des VRR ist, waren Fahrten von Fröndenberg in das VRR-Gebiet bisher erheblich teurer als beispielsweise von Unna aus. Zu fragen ist daher, ob es künftig einheitliche und damit günstigere Ticketpreis auch für Fröndenberg geben wird. Zudem muss geklärt werden, ob fahrplanbedingte Umwege auch noch erhöhte Ticketpreise nach sich ziehen.
8. Bargeldloses Bezahlen sollte in allen Verkehrsmitteln möglich sein.
9. Im NVP fehlt die Einbindung des Bürgerbusses, der in Fröndenberg aktuell Lücken im Nahverkehrsnetz schließt. Der Bürgerbusverein überlegt den Einsatz von On-Demand-Bussen, die ein wichtiger Baustein für die Erfüllung der Mobilitätsbedürfnisse im ländlichen Raum sein könnten.
10. Der Vertrag mit Westfalenbus GmbH endet im Mai 2026. Unklar ist, wie es mit dem Busverkehr weitergeht, wenn es bis dahin nicht gelungen sein sollte, das neue Konzept umzusetzen. Zudem ist ist derzeit nicht klar, ob die Vergabe an die VKU im Oktober im Kreis auch dann beschlossen wird, wenn nicht alle in Frage kommenden Kommunen dem Konzept vollumfänglich zugestimmt haben.
Korrekturen sollten auch bei den nachfolgenden Punkte durchgeführt werden, die als Grundlage für die geplante Neuaufstellung des NVP dienen:
• Einwohner pro Quadratkilometer
In einer Flächengemeinde wie Fröndenberg, mit nur geringer zusammenhängender Bebauung, aber einer Vielzahl von verstreuten Ortsteilen und Siedlungen, führt die im vorgelegten Konzept durchgeführte Konzentration auf die rechnerische Verteilung der Einwohner auf die Fläche, zu einer Ausdünnung des Angebots im Vergleich zu der erst 2020 neu eingeführten Linienstruktur, welche eigenwirtschaftlich durch die Westfalenbus GmbH und dem ehrenamtlichen Bürgerbusverein (Linien B1-B4) bedient wird.
• Bevölkerungsstruktur
Die verwendeten Zahlen zur Bevölkerungsstruktur sind über zehn Jahre alt und bilden die Entwicklung der letzten Dekade daher nicht mehr ausreichend ab. Beispielhaft ist die sich daraus ergebenden Konsequenz für die in der Vergangenheit nur wenig frequentierte Haltestelle im Ortsteil Stentrop, die im ersten Entwurf noch wegfallen sollte. Durch die zwischenzeitliche Unterbringung von Flüchtlingen ist dort die Zahl der potentiellen ÖPNV-Nutzer:innen in den letzten Jahren erheblichen angewachsen. Der Bedarf für einen funktionierenden ÖPNV ist hier in den letzten Jahren somit stark gestiegen und der ÖPNV wird für diese Menschen auch in Zukunft extrem wichtig für die Bewältigung ihres Alltags sein. Daher ist eine Überarbeitung des Konzepts auf Basis der aktuellen Zensusdaten unverzichtbar!
• Geänderte Linienführung
Die aktuell geplante X/Y- Linienführung erfüllt nicht die Vorgaben für einen bedarfsgerechten ÖPNV, da die potentiellen Nutzergruppen nicht ausreichend erreicht werden. Zwar stellt die vorgesehene Linie X7 eine zusätzliche schnelle Verbindung von Fröndenberg-Mitte nach Unna darstellt.
Jedoch führt die geplante Aufgabe der Fortführung der östlichen Strecke mit der R70 nach Unna zu einem aufwendigen Zubringerverkehr. Die aufgezeigte Lösung wird wegen der Umsteigesituation und den sich erheblich verlängernden Fahrzeiten sicherlich auch keinen Zuspruch von den betroffenen Schul- und Berufspendlern erhalten. Insbesondere für die Schüler aus den östlichen Ortsteilen, die Unnaer Schulen besuchen und deren Familien sich im Vertrauen auf eine seit Jahrzehnten bestehende Busverbindung bewusst für eine Unnaer Schule entschieden haben, ist die Aufgabe der Fortführung nach Unna eine Zumutung! Es ist zu erwarten, dass die Betroffenen künftig entweder mit dem PKW zum Anschluss nach Frömern oder sogar direkt nach Unna gefahren werden, d.h. der Individualverkehr wird durch den neuen NVP in diesem Bereich sicher zunehmen.
Die gleichen Auswirkungen sind durch den Wegfall des bisherigen Linienabschnitts der C73 im Bereich Ostbürener Straße (Stadtmitte) und der westliche Hohenheide zu erwarten.
• Kommunal beauftragte Zusatzverkehre
Zu diesem Bereich macht das vorgelegte Konzept keinerlei Ausführungen – einmal abgesehen von dem Hinweis, dass von den Kommunen bestellte Verkehre auch von diesen zu finanzieren sind.
Kritik an der Linienstruktur
(auf Grundlage des dem am 21.08.24 im BVA vorgestellten Vergleichs Status quo versus Zielnetz)
1. Die geplante Y-Linie 83 soll die heutige C73 (Stadtbuslinie) ersetzen. Sie wird zwar bis Ostbüren verlängert, jedoch wird der westliche Teil der Hohenheide und die Ostbürener Straße (Bereich Innenstadt) nicht mehr eingebunden.
2. Die geplante X7 wird als Ersatz für die bisherige R70 dargestellt. Dies ist jedoch nicht korrekt, da die von der bisherigen R70 angefahrenen Ortsteile Hohenheide, Stentrop, Bausenhagen und Ostbüren nicht mehr bedient werden.
3. Auch für die Linienführung der Y-Linie 84, die in Bentrop endet, ist noch unklar, ob der Taxibus T61 nach Wickede weiterhin verkehren wird. Dies sollte in Absprache mit der MVG kurzfristig klargestellt werden.
4. Für Altendorf gibt es im vorgestellten Konzept keine Anbindung, weder nach Unna noch nach Holzwickede oder Schwerte. Da dieser Ortsteil in den letzten Jahren stark gewachsen ist, ist eine Nachbesserung für diesen Ortsteil sicher erforderlich!.
5. Knotenpunkte in Frömern werden von keiner Buslinie angefahren und stellen aktuell nur Haltepunkte dar. Als X-Anschlusspunkt fehlt jede Infrastruktur für Park-and-Ride und somit für den erwünschten Wechsel auf das öffentliche Verkehrsmittel.
6. Unklarheit besteht über eine eventuelle Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke. Der aktuelle Schienenersatzverkehr ist nicht attraktiv und sicherlich nur eine Notlösung. Der NVP geht auf diese Problematik nicht ein.
Wünschenswert sind somit folgende Prüfaufträge:
a. Weiterführung der Linie Y83 bis Lünern, damit ein Umstieg in die Eurobahn möglich ist
b. Führung der X-Linie über Ostbüren
c. Beibehaltung der Linienführung der R70
d. Beibehaltung der Linienführung C73
e. Anschlusspunkt der Y83 an die X-Linie Frömern
f. Einplanung der Bürgerbuslinien in Absprache mit dem Bürgerbusverein
g. Beschleunigte Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke RB 54 zwischen Fröndenberg und Unna
Die GRÜNEN in Fröndenberg/Ruhr wünschen sich dringlich eine Verbesserung der Mobilität auf dem Weg zu einer echten Mobilitätswende. Das umfassende Konzept für die Umsetzung muss daher heute schon erarbeitet, durchgeplant und durchfinanziert werden und die Planungen dürfen nicht allein den Kommunen überlassen bleiben!
Wenn es Kommunen wie Fröndenberg nämlich an Personal UND Finanzen zur Erstellung der Umsetzungsplanung für die Mobilitätswende fehlt, wird diese Aufgabe allein kommunal nicht zu stemmen sein!
Mit freundlichen Grüßen
Martin Schoppmann
Fraktionsvorsitzender